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DJ mit eigenem Platten-Label: TTVN-Meister Patrick Decker

Auch mit 45 Jahren sucht Patrick Decker nach stetiger Verbesserung und erfindet sich neu – auf und neben der Box. Die Zuschauer dürfen sich bei der DM in Nürnberg auf eine Type freuen, von der der Tischtennis-Sport mehr bräuchte.

| TTVN

©privat

Patrick Decker ist irgendwie ein Pendler zwischen den Welten. Im Privaten ist der Niedersachse eher ruhig, zurückhaltend, fast introvertiert. Auf der Homepage des TTS Borsum gibt er Wandern und Ausflüge in die Natur mit seiner Familie an. Am Tischtennistisch und an den Plattenspielern hingegen bricht es aus ihm heraus. Die Musik ist für den diplomierten Produktdesigner mittlerweile zum Beruf geworden. Vor zwei Jahren gründete Decker sein eigenes Plattenlabel Oonops Drops, bei der er verschiedene Künstler aus unterschiedlichen Nationen vermarktet. Die Richtung ist gemischt, von Soul, Funk und Jazz über HipHop bis zu instrumentalen Beats. Seit 2013 moderiert der DJ auf Brooklyn Radio (NYC, ca. 200.000 Hörerinnen und Hörer) eine eigene Show, knüpfte seither viele Kontakte und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. Neben der Musik liegt sein Augenmerk auf Nachhaltigkeit, so werden die Platten unter fairen ökologischen Bedingungen hergestellt und vertrieben.

In Nürnberg zehnte DM-Teilnahme

Wenn die Regler Ruhepause haben, dann gilt Deckers Leidenschaft dem kleinen weißen Ball – und das schon seit mehr als 35 Jahren. Tischtennis war dabei nur der dritte Anlauf. Beim Judo fiel der achtjährige Patrick unsanft auf den Rücken, beim Fußball trat man ihm heftig gegens Schienbein. Dann kam Tischtennis in Betracht – und beim SV Velber nahe Hannover unternahm Decker die ersten Versuche in der kleinen Gastschänke mit Parkettboden. Dass er heute in der 3. Bundesliga Nord mit 45 zu den Besten gehört, lange in der 2. Bundesliga eine starke Rolle spielte, sogar mit dem TTC Helga Hannover mal in die Bundesliga aufstieg und in Nürnberg zum zehnten Mal an einer Deutschen Meisterschaft teilnimmt, damit hätten sicher die wenigsten gerechnet.

Patrick Decker ist dabei keiner, der über das klassische Kadersystem nach oben kam. Vielmehr hat er sich in den Jahren mit viel Fleiß, Ehrgeiz und cleverer Ausprägung des eigenen Spielsystems weiterentwickelt und seine Technik mehr und mehr verfeinert. Decker spielt nicht das klassische Topspin-Spiel, sondern blockt am Tisch mit enormer Sicherheit und guter Platzierung, presst und schießt viele Bälle oder schwingt die Rückhand brachial durch. Unorthodox und unangenehm für seine Gegner. Er nutzt, im Gegensatz zu den meisten Spielern in diesen Regionen, keine harten Schwämme, sondern setzt auf extrem weiche Beläge, die perfekt auf sein Spiel zugeschnitten sind. Lange spielte er mit JOOLA-Material; der Samba Plus und Deckers Technik waren wie gemacht füreinander. Weil es den Belag nicht mehr gibt, musste Decker umdisponieren und wurde bei andro fündig, wo er nun auch unter Vertrag ist. Dort hat er mittlerweile ein für sich passendes Setup gefunden, das ihm sogar noch ein paar mehr Variationen ermögliche.

Vom lautstarken Jubel bis zur gelben Karte: „Ich verliere extrem ungern“

Die vielen Zusammenschnitte, die es im Netz über Patrick Decker – unter anderem auf seinem eigenen YouTube-Kanal Chop Chop Club – gibt, zeigen nicht nur das besondere Spielsystem, sondern auch die emotionale Art Deckers am Tisch. Häufiges Anfeuern, lautstarke Jubel, wildes Gestikulieren und auch die eine oder andere gelbe Karte sind dabei. „Ich verliere extrem ungern“, sagt Decker über sich selbst. Und er beweist, dass man sich jenseits der 40 weiter entwickeln kann. Erst vor drei Jahren erreichte Decker mit 2.305 TTR-Punkten seinen Karrierehöhepunkt. Derzeit liegt er wieder etwas unterhalb der 2.300er-Marke, aber seine Einzelbilanz im vorderen Paarkreuz der 3. Bundesliga Nord kann sich sehen lassen. Und dies, obwohl sein Trainingspensum stark zurückgegangen ist, von früher vier- bis fünfmal pro Woche auf mittlerweile zweimal.

„Ich trainiere dafür viel intensiver, gebe im Training 100 Prozent, bis nichts mehr geht.“ Darüber hinaus absolviert Decker in seinem Zuhause in Hannover-Badenstedt noch Fitnesseinheiten, hauptsächlich mit dem eigenen Körpergewicht. Und der Vater dreier Kinder (19, 17 und 13 Jahre) hat seine Ernährung umgestellt, nahm seit Mai 2022 20 Kilo ab. „Das tut mir natürlich auch am Tisch gut“, sagt Decker. In Nürnberg will der Mann, der im Januar ohne Satzverlust(!) in sieben Partien Niedersächsischer Einzel-Meister wurde, gerne wieder auftrumpfen. 2022 bei der DM in Saarbrücken stand Decker nach dem krankheitsbedingten Aus von Dimitrij Ovtcharov sogar im Viertelfinale, wo er schließlich Abwehrass Florian Bluhm unterlag und da aber schon eine Corona-Infektion in sich trug.

Erneut die erste Runde zu überstehen und als „alter Mann“ einen favorisierten Spieler zu ärgern, lautet Deckers Ziel. „Vielleicht geht ja auch im Doppel oder Mixed etwas.“ Senioren-Wettkämpfe kommen für Decker übrigens derzeit noch nicht infrage. „Solange ich es noch bei den Erwachsenen zur DM schaffe …“, meint er schmunzelnd. Aber eine Senioren-EM oder -WM könne er sich schon mal vorstellen. Doch bevor es so weit ist, will Patrick Decker in der Kia Metropol Arena seine ganz eigene Tischtennis-Platte auflegen und möglichst viele positive Emotionen erzeugen.

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