Wettkampfsport
„PingPongParkinson“ in Eystrup: Das sportliche Familientreffen
Teilnehmer aus ganz Europa bestreiten in Eystrup das „PingPongParkinson“-Turnier. Jörg Roßkopf und Timo Boll schicken Videogrüße. 2025 dürfen Lars Rokitta und sein Team die German Open ausrichten.
| TTVN | Stefan Schwiersch
Es ist gute acht Jahre her, als Lars Rokitta an Parkinson erkrankte. Wen diese Krankheit heimsucht, der baut körperlich ab. Typisch für Parkinson sind Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamte Bewegungen, Muskelsteifheit und Störungen des Gleichgewichts. Was Lars Rokitta nicht verloren hat: Lebensmut, Engagement, Disziplin und: Humor. Ohnehin scheint Parkinson-Erkrankten der Sinn für Humor gemein, was das große „PingPongParkinson“-Turnier in Eystrup eindeutig bewies. „Diagnose Tischtennis“ prangte auf vielen Polo-Shirts und allen, so sagt man, schien die Parkinsonne.
War das noch ein Wettbewerb oder doch schon eher ein Familientreffen innigster Art? Antwort: beides. Immer größer wird der Kreis der Parkinson-Patienten, die das Tischtennisspiel als Therapie für sich entdecken und zudem Trost und Freude im Zusammenspiel mit Leidensgenossen erfahren. Und proportional erweitert sich der Kreis von PingPongParkinson seit seiner Gründung 2017 in den USA. In Deutschland gibt es bereits über 100 Stützpunkte und fast täglich werden es mehr.
Der TSV Eystrup um Cheforganisator Lars Rokitta erwies sich am Wochenende als formvollendeter Gastgeber, der nach der Premiere des „Rokitta‘s Rostschreck-Turniers“ im Vorjahr nun erneut eine Veranstaltung mit viel Liebe zum Detail managte. Der Einmarsch der Gladiatoren, die straffe Turnierorganisation, der tolle Service mit Obst und weiteren Annehmlichkeiten in der Halle, die große Abendveranstaltung: All das machte Eindruck auf die weitgereisten Gäste zwischen Schweden und Portugal.
Viele Akteure stießen erst über ihre Diagnose zum Tischtennis. Wie Rokitta selbst. Der erfuhr 2015 von seinem Schicksal, 2019 machte sich die Krankheit bemerkbar, die Belastbarkeit ließ nach, Rokitta schied aus dem Berufsleben aus. 2021 wurde er von einer Arbeitskollegin darauf aufmerksam gemacht, dass nur Wochen später in Berlin die Tischtennis-Weltmeisterschaft der Parkinson-Leute stattfindet. Rokitta meldete sich nach kurzer Überlegung an; Tischtennis gespielt hatte er zuletzt vor über 30 Jahren.
Zuletzt spielte Lars Rokitta Tischtennis mit 18 Jahren
Rokitta erfuhr am eigenen Leib: Tischtennis hat therapeutische Qualitäten. „Das Zusammenspiel zwischen Hand und Auge tut uns gut, Studien bestätigen mittlerweile, dass Tischtennis die Krankheit zwar nicht aufhält, aber die Symptome verlangsamen kann.“
Die Reise nach Berlin lohnte sich, Rokitta gewann in seiner Klasse den Titel. Doch viel mehr als den sportlichen Ruhm genoss er den Zusammenhalt der Aktiven. „Dieser Gemeinschaftssinn war für mich Antrieb, die PingPongParkinson-Geschichte weiter voranzutreiben.“
Der Schwede Svedberg betont: „A nice community“
Für die zweite Auflage in Eystrup waren die 72 Startplätze binnen weniger Stunden vergeben. Einen schnappte sich Torgny Svedberg aus Schweden. Svedberg und Rokitta haben sich über die Turniere kennengelernt, sind sich heute freundschaftlich verbunden. Und ja: Svedberg nahm den Aufwand mit der langen Anreise gern auf sich, war zeitig angereist, spielte am Tag vor dem Turnier nahe Verden noch eine Runde Golf und freute sich schließlich aufs Turnier: „Hier sind viele freundliche Menschen. A nice community.“
Das bestätigt Turnierspieler und NRW-Landesleiter Michael Baltus aus Dorsten in Westfalen: „Man kennt sich, man trifft sich – der Clan kommt zusammen. Das ist wie in einer großen Familie. Wir wurden toll empfangen, man fühlt sich total wohl. Wir haben alle ein richtig hartes Schicksal, und hier sind wir unter Gleichgesinnten.“
Baltus zieht gern den Quervergleich: „Ich habe früher Fußball gespielt, auch Bodybuilding gemacht, aber einen solchen Zusammenhalt habe ich nirgends erlebt.“
Die Community, das gesamte Drumherum ist Rokitta besonders wichtig: „Selbsthilfegruppe ist gut. Aber ich wollte runter vom Sofa, mit den Leuten aktiv spielen – verbunden mit dem Wunsch, dass die Angehörigen dabei sind und sich austauschen können.“
Landrat Detlev Kohlmeier begrüßte die Teilnehmer aus sieben europäischen Ländern, genoss ebenso die Stimmung und den Enthusiasmus und zeigte sich seinerseits beeindruckt von Atmosphäre und Ambiente.
Eystrups Tischtennis-Spartenleiter Christian Kautz: „Die ganze Organisation macht Spaß, weil alle hier im Verein mit anpacken und alle auch wissen, was sie tun. Manches wird erledigt, bevor es ausgesprochen wurde.“
Lars Rokitta und Michael Baltus spüren die wachsende Popularität. Erst 2020 wurde der deutsche Ableger von PingPongParkinson gegründet, heute sind bereits 110 Spielerinnen und Spieler Mitglieder. „Das ist erst der Anfang“, sagt Baltus. Und Rokitta bestätigt: „Wir haben Zulauf ohne Ende.“ Insofern ist das Credo passend gewählt: Parkinson ist nicht ansteckend. PingPongParkinson schon.
Zwei wichtige sportlich Erkenntnisse brachte das Turnier in Eystrup noch hervor. Zum einen: Das Team mit Thomas Lunde (Dänemark), Ralf Friedrichs (Warsingsfehn) und Klaus Müller (Leipzig) ging als Turniersieger hervor. Und: Der TSV Eystrup wurde vom Verband die Ausrichtung der German Open in 2025 angeboten. Kompliment und Mammutaufgabe gleichermaßen. Rokitta: „Hier waren heute 72 Leute am Start. Bei den Open sind es 200 bis 300.“
Rokitta versteigert zwei Trikots von Jörg Roßkopf
Zu guter Letzt wurde nicht wenig Geld zur Förderung von „PPP“ eingenommen. 1000 Euro Erlös brachte eine Tombola, 1500 Euro spendeten Holger und Melanie Aschsche – die Eystruper Tankstellenbetreiber spendeten von jeder Autowäsche im April einen kleinen Betrag und stockten diesen noch auf die runde Summe auf.
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